St. Galler Tagblatt – Mit Preisen überhäuft
23. 12. 2005
Trickfilmer Simon Oberli erhält Förderpreis 2005 der St. Gallischen Kulturstiftung. Der 25-jährige Simon Oberli heimst mit seinen Trickfilmen Preis um Preis ein. Seit er klein war, gehört seine Leidenschaft dem Puppen- und 3D-Film. Wie kommt ein Kind heraus, das ohne Fernseher aufwächst? Im Falle von Simon Oberli wird es Trickfilmer und arbeitet hauptberuflich beim Fernsehen. Zwar legt der 25-jährige Förderpreisträger keinen Wert auf diesen Zusammenhang. Trotzdem: Aus dem fernsehfreien Elternhaus im Rotmonten-Quartier kommt ein kreativer Filmfreak, der die letzten zehn Jahre überwiegend damit verbracht hat, Trickfilme herzustellen.
Mindestens ein Preis pro Film
Seit 1997 regnet es Preise für Oberli. Jeder seiner Animationsfilme ist mindestens ein Mal prämiert worden. Unter den Auszeichnungen befinden sich Jugend- und Publikumspreise von (Jugend-)Filmtagen sowie ein Werkbeitrag des Kantons St. Gallen. Zehn Finger reichen nicht aus, um sie alle aufzuzählen. Nun erhält der Trickfilmer den Förderpreis der St. Gallischen Kulturstiftung €“ der sich somit fast von selber erklärt. Nachdem Oberli zur Konfirmation seine erste Videokamera geschenkt bekommen hatte, absolvierte er neben dem Filmen den Vorkurs an der St. Galler Schule für Gestaltung und schloss 2003 eine Möbelschreinerlehre ab. Heute arbeitet der Filmverrückte bei Tele Top als Vollzeit-Werbefilmer. Er lebt mit zwei Frauen in einer WG in St. Gallen und bereitet in der Freizeit seinen neuesten Trickfilm-Streich mit dem Titel «Sigmund, Bonaparte » vor. Was passieren kann, wenn man einen Psychiater und einen Irren ein Jahr lang im gleichen Raum einsperrt, wird Oberli in diesem «Kammerstück » ausloten.
Amor ist kein Netter
«Meine Storys haben immer einen Anfang und einen Schluss », sagt der Trickfilmer in Anspielung auf die vielen «abstrakten » Animationsfilme, die an den Festivals gezeigt werden. Nicht zuletzt daher rührt wohl auch sein Erfolg beim Publikum. Die Geschichten denkt er sich selber aus. Eine bitterlustige, oft leicht makabre Pointe gehört zu den konstanten Ingredienzen eines Oberli-Films. An der diesjährigen Preisverleihung der St. Gallischen Kulturstiftung hat er seinen vierminütigen «Liebesfilm » (2002) gezeigt. Vier Plastilinpuppen €“ Er, Sie, Amor und ein Schmetterling €“ widerfährt Wunderliches in einem von Harfenklängen untermalten 3-D-Computer-Idyll. Ohne die Story preiszugeben: Amor ist kein Netter, und ein Happy End gibt es nicht.
Traum Hollywood?
Dass nur ein Tüftler mit schier unendlichen Geduldsreserven solche Puppenfilme à la Wallace und Gromit realisieren kann, wird beim Anschauen eines Making- of-Films klar. Oberli lacht und zuckt mit den Schultern, widerspricht jedoch nicht. Auf die Frage nach dem grossen Traum lacht er schon wieder und schlägt vor: «Hollywood? » Vermutlich meint er es ernster, als er zugeben würde. Kalifornische Luft hat der Filmfan jedenfalls bereits geschnuppert, als er nach der Lehre einige Monate zum Englischlernen in Los Angeles verbrachte. Dort war er Zaungast bei Oscarverleihung und Filmpremieren und verbrachte viele Stunden in amerikanischen Kinosälen. Odilia Hiller