St.Galler Nachrichten – Wieviel ist eine Fliege wert?

19. 6. 2014

 

SIMON OBERLI aus St.Gallen produzierte Trickfilm über die Bedeutung von Insekten.  Insekten sind vielen Menschen lästig. Dabei haben sie im Ökosystem eine wichtige Aufgabe. Der Trickfilm «Insect Respect » will darauf aufmerksam machen. In Auftrag gegeben hat diesen ausgerechnet ein Biozidhersteller.

 

Wie sieht ein Schaf aus? Diese Frage forderte den St.Galler Trickfilmer Simon Oberli bei seinem Projekt «Insect Respect Kleine Riesen » am meisten. «Ich hatte eines gezeichnet und meinem kleinen Neffen geschickt. Er meinte aber, ein Schaf sähe wirklich anders aus », schmunzelt Oberli. Doch eigentlich geht es gar nicht um Schafe. Insekten sind die zentralen Akteure seines neuen Films. In Auftrag gegeben hat ihn der Biozid-Hersteller Reckhaus GmbH & Co. KG in Bielefeld und Teufen. Geschäftsführer Hans-Dietrich Reckhaus betreibt das Unternehmen in zweiter Generation und bezeichnet sich selbst als «kunstaffin ». «Darum bin ich wohl für neue Ideen offen », so Reckhaus. Ideen, die auch sein ganzes bisheriges Unternehmertum in Frage stellen können.

 

Als «Nestbeschmutzer » betrachtet
Es war im November 2011, als Reckhaus die beiden Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin bat, einen neuen Fliegenfänger zu bewerben. Doch die Brüder lehnten ab und schlugen ihm stattdessen vor, Fliegen zu retten. Eine Wandlung um 180 Grad sozusagen. Zur Verwunderung der Riklins willigte der Biozidhersteller ein. Was folgte, war eine medienträchtige Aktion im Bielefelder Ortsteil Deppendorf. Die Deppendorfer fingen mit Marmeladengläser insgesamt 902 Fliegen und lieferten sie in einem Festzelt ab. Dort konnten sich die Tiere in einem Käfig mit Zuckerlösung und Milchpulver laben. Die einmalige Aktion bewirkte bei Reckhaus ein Umdenken. Er überlegte sich einen dauerhaften Ausgleich zum Schaden, den seine Produkte bei den Insekten anrichten. Im Juli 2012 entstand dann auf dem Dach des Firmensitzes in Bielefeld die erste Kompensationsfläche. Auf 200 Quadratmetern Begrünung mit Anhügelungen können es sich die kleinen Tiere fortan gutgehen lassen. «Gerade ich muss doch für die Nachhaltigkeit sorgen », so Reckhaus. Denn: Ohne Insekten würde das Ökosystem zusammenbrechen. «Wir müssen uns über die Folgen im Klaren sein und dementsprechend handeln. » Reckhaus berechnet die Grösse der benötigten Kompensationsfläche mit einer komplizierten Formel, welche beeinflusst wird, wieviel Biozid angewendet wird. Je mehr Insekten getötet werden, desto grösser die Ausgleichsfläche. Das Gütesiegel «Insect Respect » wurde geschaffen. Firmen können ihre Produkte fortan mit diesem Label zertifizieren und so die negativen Auswirkungen kompensieren. Reckhaus selbst gilt in der Branche mittlerweile als «Nestbeschmutzer ». «Mit mir spricht niemand mehr », seufzt er. Doch das nimmt er in Kauf, will nun das Label bekannt machen. Simon Oberli sieht sich gerne als Teil dieses Umweltanliegens. Ãœber die St.Galler Agentur «Alltag » kam er zum Auftrag, den Film über Insekten zu machen. Im rund vier Minuten dauernden Kurzfilm fliegt sodann eine Fliege als verbindendes Element von einer zur andern Plattform. Insgesamt acht sind im 3D-animierten Streifen vorhanden. Eine Sprecherin gibt Informationen dazu, wer alles von Insekten abhängig ist wie auch deren wirtschaftlicher Bedeutung. In nur wenigen Wochen war der Film vollendet. Für Oberli eine Routineaufgabe «wenn nur das Schaf nicht gewesen wäre. »
Astrid Zysset